Timing von Musikern
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Timing von Musikern
Ich beschäftige mich wieder einmal mit generierter Musik. Beim Timing scheint es so, dass wir Ungenauigkeiten erlernt haben und Abweichungen von menschlichem Timing als irritierend empfinden. Nun habe ich einen Timer programmiert, der mit Ungenauigkeiten arbeitet und es würde helfen, ein paar Erfahrungen oder sogar Wissen einzuholen.
Mein Gefühl und meine Versuche sagen mir, dass man Timingschwankungen in Prozent angeben kann. Die Theorie dahinter ist, dass man bei schnell aufeinanderfolgenden Noten sehr genau spielen muss, also prozentuell geringe Schwankungen erlaubt sind, manchmal weniger als eine Millisekunde. Wenn man nur jede Sekunde einen Ton spielt, können die Abweichungen größer sein. Wenn man alle 10 Sekunden einen Ton spielt, können wohl die wenigsten Menschen ein Viertel- oder sogar eine halbe Sekunde (2,5-5 %) Timingdifferenz hören. Daher müssten Prozent funktionieren.
Die Frage:
Wieviel Prozent weicht der gute Musiker vom metronomischen Schlag ab? Er kann vorauseilen oder hinten hängen oder schwanken, aber wieviel ist es durchschnittlich? Ich kann auch mit Millisekunden bei einem bestimmten Tempo etwas anfangen, vielleicht hat die mal jemand gemessen. Oder Temposchwankungen in BPM pro Takt oder so.
Es geht hier nicht um interpretative Tempoänderungen, sondern um die unabsichtlichen kleinen Abweichungen, die jeder hat.
Mein Gefühl und meine Versuche sagen mir, dass man Timingschwankungen in Prozent angeben kann. Die Theorie dahinter ist, dass man bei schnell aufeinanderfolgenden Noten sehr genau spielen muss, also prozentuell geringe Schwankungen erlaubt sind, manchmal weniger als eine Millisekunde. Wenn man nur jede Sekunde einen Ton spielt, können die Abweichungen größer sein. Wenn man alle 10 Sekunden einen Ton spielt, können wohl die wenigsten Menschen ein Viertel- oder sogar eine halbe Sekunde (2,5-5 %) Timingdifferenz hören. Daher müssten Prozent funktionieren.
Die Frage:
Wieviel Prozent weicht der gute Musiker vom metronomischen Schlag ab? Er kann vorauseilen oder hinten hängen oder schwanken, aber wieviel ist es durchschnittlich? Ich kann auch mit Millisekunden bei einem bestimmten Tempo etwas anfangen, vielleicht hat die mal jemand gemessen. Oder Temposchwankungen in BPM pro Takt oder so.
Es geht hier nicht um interpretative Tempoänderungen, sondern um die unabsichtlichen kleinen Abweichungen, die jeder hat.
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Re: Timing von Musikern
Hallo Peter,
vielleicht möchtest du dich hier etwas einlesen: https://icem-www.folkwang-uni.de/icem-w ... arbeit.pdf
In dieser Studie analysiert Klaus Kauker die Tempo-Abweichungen von Drummern.
Schöne Grüße
Alf
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In dieser Studie analysiert Klaus Kauker die Tempo-Abweichungen von Drummern.
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Re: Timing von Musikern
Das kuhle ist ja, dass man das mit den Quantize Parametern selber erforschen kann.
‹(•¿•)›
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Re: Timing von Musikern
Ich würde sagen, die Frage "wie viel" ist gar nicht so entscheidend, sondern vielmehr "wann?" und "warum?". Also welche Schläge sind die entscheidenden? Wo finden sich vllt. konsistente Abweichungen zum Raster ("Groove"), und wo eher zufällige ("Eierei")? Wo darf es vielleicht auch ohne schlimme Konsequenzen eiern, und wo muss es sitzen? Ghostnotes dürfen sicherlich humaner sein als die Hauptschläge.
Es gibt ein paar Trommler, da hört man sofort, wer da an den Kesseln sitzt. Phil Collins z.B. oder Manu Katché. Warum ist das so? Dynamik und Spielweise spielen natürlich auch eine große Rolle, in Kombination mit dem Groove. Aber was es genau ist, vermag ich nicht zu fassen. Definitiv faszinierendes Thema!
Mein Lieblingsbeispiel ist das hier:
https://www.youtube.com/watch?v=GDPKKrvYU6w
Ab etwa Mitte steigt Phil selbst aufs Drumpodest. Nichts gegen Chester Thompson, aber der Unterschied ist sofort klar, und nicht nur weil auf einmal 2 Trommler am Werk sind. Vielleicht auch einfach eher eine Dynamik-Sache. Der Collins drischt als gäb's kein Morgen, die Konsequenzen hat er heute deutlich in den Knochen stecken. Aber dennoch würde ich sagen, allein Kick und Snare, und nur die Hauptschläge, reichen schon um hier ganz klar das Revier zu markieren.
Es gibt ein paar Trommler, da hört man sofort, wer da an den Kesseln sitzt. Phil Collins z.B. oder Manu Katché. Warum ist das so? Dynamik und Spielweise spielen natürlich auch eine große Rolle, in Kombination mit dem Groove. Aber was es genau ist, vermag ich nicht zu fassen. Definitiv faszinierendes Thema!
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Ab etwa Mitte steigt Phil selbst aufs Drumpodest. Nichts gegen Chester Thompson, aber der Unterschied ist sofort klar, und nicht nur weil auf einmal 2 Trommler am Werk sind. Vielleicht auch einfach eher eine Dynamik-Sache. Der Collins drischt als gäb's kein Morgen, die Konsequenzen hat er heute deutlich in den Knochen stecken. Aber dennoch würde ich sagen, allein Kick und Snare, und nur die Hauptschläge, reichen schon um hier ganz klar das Revier zu markieren.
Re: Timing von Musikern
Weites Feld und super spannend für mich. Timing ist für mich eine super persönliche und intime Sache. Das denke ich oft, wenn ich Tracks editiere von Bands, die ich aufgenommen hab. Gerade wenn das Zeug nicht tight ist, bekomme ich einen guten Eindruck davon, was der musizierende Mensch hört und was ihm wichtig ist und wo seine musikalischen Begriffe und Grenzen sind. Und damit sehr persönliche Qualitäten: wie gut kann der/ die zuhören? Warum ist die Aufmerksamkeit mehr hier und weniger dort?
Zu hugoderwolfs Idee "wann" und "warum": ganz klassisch ist der Tom-Fill vor dem Chorus beim Trommler. Was finde ich gut? Bei den meisten Trommlern ist das der Moment, wo das Timing angezogen wird. Die "Vorfreude" auf den Killer-Chorus, der gleich kommt. DAS finde ich gut! Wenn man zum Klick aufnimmt, muss der Trommler und die Band gegenhalten- das heißt, im Chorus, wo etwas aufgehen soll wird gebremst. Döööt! Verkehrt! Ich mag gern ohne Klick aufnehmen- und dann gehts ab! Ein toller Musiker (für meine Begriffe) ist jemand, der mit dem Tempo (wo immer es auch herkommt) virtuos umgehen kann. Ein kurzes Voicing der Gitarre laid back gespielt kann ganz viel Platz für Vocals machen. Es gibt Bassisten, die spielen die Achtel gaaaanz kurz hinter dem ersten Wellenberg von Kick und Snare. DAS ist tight!
Hat alles ganz viel mit Mensch sein und Musiker sein zu tun. Ich hoffe, dass man das nie so ganz in Prozent und Algorithmus übersetzen kann. Wenn doch- such ich mir n anderes Hobby
Zu hugoderwolfs Idee "wann" und "warum": ganz klassisch ist der Tom-Fill vor dem Chorus beim Trommler. Was finde ich gut? Bei den meisten Trommlern ist das der Moment, wo das Timing angezogen wird. Die "Vorfreude" auf den Killer-Chorus, der gleich kommt. DAS finde ich gut! Wenn man zum Klick aufnimmt, muss der Trommler und die Band gegenhalten- das heißt, im Chorus, wo etwas aufgehen soll wird gebremst. Döööt! Verkehrt! Ich mag gern ohne Klick aufnehmen- und dann gehts ab! Ein toller Musiker (für meine Begriffe) ist jemand, der mit dem Tempo (wo immer es auch herkommt) virtuos umgehen kann. Ein kurzes Voicing der Gitarre laid back gespielt kann ganz viel Platz für Vocals machen. Es gibt Bassisten, die spielen die Achtel gaaaanz kurz hinter dem ersten Wellenberg von Kick und Snare. DAS ist tight!
Hat alles ganz viel mit Mensch sein und Musiker sein zu tun. Ich hoffe, dass man das nie so ganz in Prozent und Algorithmus übersetzen kann. Wenn doch- such ich mir n anderes Hobby
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- Peter Ostry
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Re: Timing von Musikern
Habe mir den ersten Teil angesehen. Halte die gemessenen Tempoabweichungen für realistisch, obwohl mir die ungemittelten Werte für einen professionellen Drummer hoch erscheinen. Aber ich will nichts in Frage stellen, von dem mir keine Details bekannt sind. Vielleicht überschätze ich Drummer. Vielleicht waren die Messmethode bzw. die Auswertung nicht optimal.
Hier kurz die Daten von einem meiner Tests:
Piano, 120 BPM, das sind 125 ms pro 1/16 Note.
Abweichung max. 0 ms, Langzeit-Durchschnitt 0 ms — Eindruck: Hier spielt eine Maschine.
Abweichung max. 4 ms, Langzeit-Durchschnitt 2,9 ms — Eindruck: So grade kein Mensch.
Abweichung max. 8 ms, Langzeit-Durchschnitt 5,5 ms — Eindruck: Das könnte ein Mensch spielen.
Abweichung max. 16 ms, Langzeit-Durchschnitt 7,1 ms — Eindruck: Der spielt gut.
Abweichung max. 32 ms, Langzeit-Durchschnitt 21,4 ms — Eindruck: Ist schon wacklig.
Abweichung max. 64 ms, Langzeit-Durchschnitt 32,2 ms — Eindruck: Das reicht nicht fürs Konzert.
Interessant ist, dass man bei meinen atonalen chromatischen 1/16 Tonfolgen einem Bläser mehr als die doppelte Abweichung zugesteht wie einem Pianisten. Da ist schon viel Hörgelerntes dabei. Deshalb frage ich auch hier, ob jemand Erfahrung damit hat.
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Das ist eine gute Idee. Ich könnte übertrieben gezufallte Noten in Logic aufnehmen und schauen, wie stark ich die Quantisierung einstellen muss, damit es halbwegs natürlich klingt. Sozusagen von der anderen Seite annähern.
Das Ganze hat den Sinn, je nach Instrument Grundeinstellungen zu finden, um nicht jedes Mal herumzubasteln. Sind ja doch einige Parameter, die ich aufeinander abstimmen muss. Denn wenn das Timing der Puls-Erzeugung nicht stimmt, kann man die darauf folgende musikalische Bearbeitung vergessen. Klingt dann immer nach künstlicher Dummheit.
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Das ist nicht mein Ziel. Computer wie Menschen klingen zu lassen ist für mich sinnfrei, weil es die Menschen schon gibt und sie in der Musik so ziemlich alles besser können. Aber ums grundsätzliche Timing komme ich nicht herum, wenn ich mit Softwareinstrumenten spielen will. Deren glaubwürdiger Klang hängt sehr vom Timing der Tonerzeugung ab.hugoderwolf hat geschrieben: ↑04 Jan 2024 - 19:38 Ich würde sagen, die Frage "wie viel" ist gar nicht so entscheidend, sondern vielmehr "wann?" und "warum?". Also welche Schläge sind die entscheidenden? Wo finden sich vllt. konsistente Abweichungen zum Raster ("Groove"), und wo eher zufällige ("Eierei")? Wo darf es vielleicht auch ohne schlimme Konsequenzen eiern, und wo muss es sitzen?
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Re: Timing von Musikern
Der Drummer schwankt dann aber nicht mal so und so um die Zählzeit oder? Meine Beobachtung ist eher die, dass der Drummer je nach Song mehr oder weniger auf den Punkt spielt. Soll heißen wenn er 5ms vor der Zählzeit spielt, dann aber auch den gesamten Song ziemlich präzise durch. Rumeiern durch den Song würde ich jetzt nicht als gutes Spiel bezeichnen. Schlechte Drummer schleppen sehr oft. So als würden sie die ganze Zeit erstmal auf den Klick warten. Und wenn er dann kommt und sie merken, dass sie zu langsam sind versuchen sie bei Doppelschlägen auf der Kick immer die verpasste Zeit wieder einzuholen und der zweite Schlag kommt dann zu schnell. Da groovt dann wirklich gar nichts mehr.Abweichung max. 16 ms, Langzeit-Durchschnitt 7,1 ms — Eindruck: Der spielt gut.
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Re: Timing von Musikern
Hab ja gar nichts von Computer gesagt. Im Gegenteil. Computer tight machen ist einfach. Eine stumpfe Zufallskomponente draufhauen und das "Humanize" nennen ist auch einfach. Aber "menschlicher" macht es das meiner Meinung nach nicht. Das heißt im Umkehrschluss, dass eben diese menschliche Qualität sich nicht in Mittelwert und Standardabweichung messen lässt, da offenbar mehr dahinter steckt als eine rein zufällige Ungenauigkeit. Der Wahnsinn hat Methode. Das kann man so hinnehmen, kann man aber auch faszinierend finden.Peter Ostry hat geschrieben: ↑05 Jan 2024 - 0:00 Das ist nicht mein Ziel. Computer wie Menschen klingen zu lassen ist für mich sinnfrei, weil es die Menschen schon gibt und sie in der Musik so ziemlich alles besser können. Aber ums grundsätzliche Timing komme ich nicht herum, wenn ich mit Softwareinstrumenten spielen will. Deren glaubwürdiger Klang hängt sehr vom Timing der Tonerzeugung ab.
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Re: Timing von Musikern
Auf jeden Fall gibt es kulturbedingte Ankerpunkte.
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- Peter Ostry
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Re: Timing von Musikern
Doch, das tut er. Wie aus der oben erwähnten Bachelor Arbeit hervorgeht, kann ein professioneller Drummer gute plusminus 10 ms pro Schlag daneben liegen. Ich habe nicht so viel erwartet. Am Anfang des Stückes sieht es aus, als ober er späte Schläge mit darauffolgenden frühen Schlägen kompensiert hätte und umgekehrt. Daraus schließe ich, dass er sehr gut war und der Motorik Zeit gegeben hat, sich einzupendeln. Anders gesagt: Die Handbewegung war schon richtig, nur die Sticks und das Fell hatten sich noch nicht angefreundet.
Ein Guter eiert nicht rum, aber wenn man ihn frei spielen lässt und nicht ins Korsett eines Clicks schnürt, vermag er eine beachtliche Tempodrift zu entwickeln. In einer Grafik der Arbeit sieht man, dass der Profidrummer beim ersten Durchgang nach 12 Sekunden um eine halbe Sekunde zu schnell war. Beim zweiten Durchgang war es die Hälfte. Aber in beiden Durchgängen waren die Abweichungen am Anfang größer, dann sehr gering. Gegen Ende ging es wieder lockerer zu, aber nach einem anderen Muster. Ich nehme an, dass so etwas zum Stil eines Drummers gehört.
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Du sagst es. Die "humanize" Funktionen der DAWs machen maschinelles Geklopfe erträglicher, sind aber zu primitiv, weil sie von Note zu Note unabhängig vom Gesamtfluss zufällige Verschiebungen durchführen. Ich habe auch bemerkt, dass gleiche plusminus Zufälligkeiten praktisch immer blöd klingen. Eine Seite muss größer sein. Das stimmt auch ohne hörbaren Click. Änderungen sind zulässig, aber die Gleichheit ist zu vermeiden.hugoderwolf hat geschrieben: ↑05 Jan 2024 - 9:10 Eine stumpfe Zufallskomponente draufhauen und das "Humanize" nennen ist auch einfach. Aber "menschlicher" macht es das meiner Meinung nach nicht.
Scheinbar doch. Der Autor der oben erwähnten Arbeit hat die Messpunkte in der Grafik belassen und die bestätigen meine Findung: Ob man etwas als mehr oder weniger gut, tight oder groovend empfindet, hängt vom Verhältnis der Standardabweichung zur Tempodrift ab. Ich habe dafür keine Formel und die ist mir auch egal, weil ich die Tempodrift akzeptiere. Den realen Spieler betrifft es, wenn er durch einen Click gezwungen wird, wieder nach Hause zu kommen. Musikalisch mag sich das ergeben, aber ein augenrollender Produzent, der Arbeit auf sich zukommen sieht, ist ein schlechter Grund.hugoderwolf hat geschrieben: ↑05 Jan 2024 - 9:10 Das heißt im Umkehrschluss, dass eben diese menschliche Qualität sich nicht in Mittelwert und Standardabweichung messen lässt, ...
Man muss auch verschiedene Instrumente berücksichtigen. Bei Rhythmus denkt man gerne gleich ans Schlagzeug, aber andere Instrumente haben aufgrund der Tonentwicklung andere Zeiten. Bei einem hornähnlichen Instrument musste bzw. konnte ich die doppelte Abweichung genehmigen wie bei einem Piano, um einen möglichst natürlichen Eindruck zu erzeugen. Der Einschwingvorgang ist bei einem Blasinstrument viel länger. Für den Bläser ist das normal, der Software muss man es beibringen.
Rein zufällig funktioniert kein Mensch, alles was er tut ist von irgendetwas abhängig. Die Maschine kann Annäherungen an typisch menschliche Variationen finden. In meinem mathematischen Kindergarten bin ich auf Versuche angewiesen. Die Markov Chain, in Max mit Modifikationen als [drunk] Objekt verfügbar, hat sich als geeignet erwiesen. Außer den Grenzwerten kann man auch die Schrittweiten modulieren und auch den Algorithmus in eine Richtung drücken, obwohl er systembedingt dagegen arbeitet. Wir haben es dann nicht mehr mit reinen Zufälligkeiten zu tun, sondern mit moduliertem Zufall. Die Schwierigkeit besteht darin, zur richtigen Zeit auf die richtige Weise zu modulieren, die geeigneten Parameter zu finden. Das kennst du ja.hugoderwolf hat geschrieben: ↑05 Jan 2024 - 9:10 ... da offenbar mehr dahinter steckt als eine rein zufällige Ungenauigkeit.
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Hier ist das Konzept für meinen "Vivid Timer", der aus vielen Versuchen entstanden und noch in Arbeit ist:
Die temporäre Umrechnug in Samples ist sozusagen Oversampling, weil die Auflösung in ms zu grob ist. Das Modell hat kein fixes Metronom, sondern nur ein nominales Intervall für den Start. Die Zeitintervalle werden bei jedem ausgegebenen Tick neu berechnet. Dass ich die dadurch entstehende Tempodrift nicht korrigiere, ist Absicht. Für Kompatibilität mit Hardware und DAW gebe ich laufend Tempoinformationen aus.
Mit dem einfacheren Vorgänger dieses Modells habe ich einen Test gemacht.
Nicht auf die Töne hören, sondern auf das Timing.
Frau Mac kommentiert das Geschehen:
Rand_Test_1.mp3
Ganz ordentlich, abgesehen von der chromatischen Kakophonie :-)
Mal sehen, wie das mit der weiterentwickelten Version wird.
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Meine Eingangsfrage wurde übrigens beantwortet. Der Autor der Bachelor Arbeit hat ganz genau Buch geführt, welcher Schlagzeugteil wie früh oder spät spielt. Entspricht im Grunde meinen Messungen.
Falls jemand Daten von langsameren Instrumenten hat, wie Streichern oder Bläsern, bitte ich darum.
Weniger interessant sind Glasharmonika, Theremin, Windharfe und die Orgel von Cage.
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Re: Timing von Musikern
Das Timing klingt für mich ausreichend glaubwürdig.Peter Ostry hat geschrieben: ↑05 Jan 2024 - 23:10 Rand_Test_1.mp3
Ganz ordentlich, abgesehen von der chromatischen Kakophonie :-)
Mehr Klangvariation (Velocity/Layer/irgendwas) bei ähnlich hohen Tönen in kurzer Folge wirkten vielleicht noch authentischer.
Aber das war nicht das Thema, wenn ich es recht verstehe. Hängt ja auch vom Klangerzeuger ab.
Hut ab, gut gemacht.
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Re: Timing von Musikern
Lässt sich machen. Über KeyFollow bei hohen Tönen die Variation der Velocity vergrößern. Danke für den Vorschlag. Damit beschäftige ich mich nach dem Timing, wenn die Velocity dran ist.
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Re: Timing von Musikern
Nichtsdestotrotz ist Chester Thompson ein klasse Schlagzeuger und vielleicht auch wegen seiner Art genau der richtige für den Job gewesen.hugoderwolf hat geschrieben: ↑04 Jan 2024 - 19:38 Ich würde sagen, die Frage "wie viel" ist gar nicht so entscheidend, sondern vielmehr "wann?" und "warum?". Also welche Schläge sind die entscheidenden? Wo finden sich vllt. konsistente Abweichungen zum Raster ("Groove"), und wo eher zufällige ("Eierei")? Wo darf es vielleicht auch ohne schlimme Konsequenzen eiern, und wo muss es sitzen? Ghostnotes dürfen sicherlich humaner sein als die Hauptschläge.
Es gibt ein paar Trommler, da hört man sofort, wer da an den Kesseln sitzt. Phil Collins z.B. oder Manu Katché. Warum ist das so? Dynamik und Spielweise spielen natürlich auch eine große Rolle, in Kombination mit dem Groove. Aber was es genau ist, vermag ich nicht zu fassen. Definitiv faszinierendes Thema!
Mein Lieblingsbeispiel ist das hier:
https://www.youtube.com/watch?v=GDPKKrvYU6w
Ab etwa Mitte steigt Phil selbst aufs Drumpodest. Nichts gegen Chester Thompson, aber der Unterschied ist sofort klar, und nicht nur weil auf einmal 2 Trommler am Werk sind. Vielleicht auch einfach eher eine Dynamik-Sache. Der Collins drischt als gäb's kein Morgen, die Konsequenzen hat er heute deutlich in den Knochen stecken. Aber dennoch würde ich sagen, allein Kick und Snare, und nur die Hauptschläge, reichen schon um hier ganz klar das Revier zu markieren.
Re: Timing von Musikern
Eine generelle Aussage zu treffen, scheint mir schwierig, ist die Präzision doch grundsätzlich ein Thema der Biomechanik. Einfacher ausgedrückt, hängt es davon ab, wie hoch die Bewegungsökonomie eines Musikers ist. Abstrakt ausgedrückt, wie sehr sie/er sich in der Streckung befindet. Und das hängt primär davon ab, wie gut die Muskulatur während des kindlichen- und jugendlichen Wachstums aktiviert worden ist.
In der Tiefe gedacht heißt das, je ökonomischer der Körper funktioniert desto mehr kommt die Masse (des Körpers) zum Tragen, das wirkt sich natürlich auf den Ton aus, aber eben (abstrakt ausgedrückt) auf die Entfernungen, die zurück gelegt werden müssen, z.b. von der Fingerspitze bis zur Tast/Saite etc.. Dementsprechend ist man vom Timing her näher am Grid oder weiter weg. Abgesehen von Aufmerksamkeitsgeschichten ...
Damit will ich sagen, grundsätzlich hängt die (körperliche) Präzision vom Level an Geschmeidigkeit ab, über die ein Musiker verfügt. Das lässt sich auch genauso auf Athleten übertragen. Je besser einer seine Massen einsetzen kann, und damit sich ökonomischer und geschmeidiger bewegt, desto höher dürfte grundsätzlich die körperliche Präzision sein.
Gerade Musiker mit akustischen Instrumenten kennen das Thema "Gewicht".
Man kann das alles auch hören (und sehen) und das ist für mich abseits musikalisch emotionaler Themen der wesentliche Unterschied zwischen sehr guten Instrumentalisten und den absoluten Top-Leuten. Das drückt sich dann darin aus, dass Skalen eben bei manchen extrem perlen, noch flüssiger als bei anderen klingen, Töne so auf dem Grid liegen, dass sie wie ausgestanzt sind. Beispielsweise fällt mir hierzu Allan Holdsworth ein oder auch die Top-Klassik-Pianisten ...
Wäre interessant das zu vermessen. Bei Sportlern und Athleten kann man auch noch die Beugung der Gelenke messen, um sich ein Bild zu machen.
Und letztlich drückt sich die körperliche Effizienz natürlich in Leistung aus. Bsp. Manuel Neuer, der Bälle unglaublich schleudern kann ...
In der Tiefe gedacht heißt das, je ökonomischer der Körper funktioniert desto mehr kommt die Masse (des Körpers) zum Tragen, das wirkt sich natürlich auf den Ton aus, aber eben (abstrakt ausgedrückt) auf die Entfernungen, die zurück gelegt werden müssen, z.b. von der Fingerspitze bis zur Tast/Saite etc.. Dementsprechend ist man vom Timing her näher am Grid oder weiter weg. Abgesehen von Aufmerksamkeitsgeschichten ...
Damit will ich sagen, grundsätzlich hängt die (körperliche) Präzision vom Level an Geschmeidigkeit ab, über die ein Musiker verfügt. Das lässt sich auch genauso auf Athleten übertragen. Je besser einer seine Massen einsetzen kann, und damit sich ökonomischer und geschmeidiger bewegt, desto höher dürfte grundsätzlich die körperliche Präzision sein.
Gerade Musiker mit akustischen Instrumenten kennen das Thema "Gewicht".
Man kann das alles auch hören (und sehen) und das ist für mich abseits musikalisch emotionaler Themen der wesentliche Unterschied zwischen sehr guten Instrumentalisten und den absoluten Top-Leuten. Das drückt sich dann darin aus, dass Skalen eben bei manchen extrem perlen, noch flüssiger als bei anderen klingen, Töne so auf dem Grid liegen, dass sie wie ausgestanzt sind. Beispielsweise fällt mir hierzu Allan Holdsworth ein oder auch die Top-Klassik-Pianisten ...
Wäre interessant das zu vermessen. Bei Sportlern und Athleten kann man auch noch die Beugung der Gelenke messen, um sich ein Bild zu machen.
Und letztlich drückt sich die körperliche Effizienz natürlich in Leistung aus. Bsp. Manuel Neuer, der Bälle unglaublich schleudern kann ...
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Re: Timing von Musikern
Das ist er, man höre sich nur Zappas Roxy & Elswhere an. Ich denke, dass er einer der Wenigen war, der Collins Kram überhaupt spielen konnte.
Ich habe hugoderwolfs Einwurf nicht als Kritik an seinen Fähigkeiten verstanden, sondern eher als Hinweis, wie stilprägend Collins Spielweise war. Und das sehe ich genauso - Collins war immer erkennbar, Thompson nicht wirklich.