SPL Channel One vs. Focusrite Voice Master Pro

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SPL Channel One vs. Focusrite Voice Master Pro

Beitrag von Tim »

SPL Channel One vs. Focusrite Voice Master Pro

Freitag, 31 Januar 2003
Für unser Studio suchten wir seit längerem einen Microfon Vorverstärker. Nach dem Lesen diverser Testberichte und dem Einholen diverser Meinungen schränkten wir unsere Wahl auf den SPL Channel One und den Focusrite Voice Master Pro ein. Beide Geräte wurden uns von einem Händler eine Woche lang zur Verfügung gestellt. Es handelt sich hierbei jeweils um sogenannte Channelstrip-Geräte die auf zwei Höheneinheiten zahlreiche Bearbeitungsmodule zur Verfügung stellen. Diese sind jeweils in dieser Reihenfolge:

Voice Master: Expander/Noise Gate --> Vintage Harmonics --> Kompressor --> Tube Sound --> EQ --> Deesser.

Channel One: Deesser --> Kompressor --> EQ/Distortion.

Schon beim Auspacken fällt trotz gleichem Konzept auf, daß der Voicemaster über wesentlich mehr Regler (22 gegenüber 15) und Schalter (19 gegenüber 11) als der Channel One verfügt. Im Betrieb gibt es noch einen weiteren optischen Unterschied. Der Voicemaster verfügt über die stattliche Anzahl von 38! Leuchtdioden die sich hauptsächlich auf 6 pegelabhängige Led-Reihen a 6 Dioden verteilen. Auch das blau hinterlegte VU Meter des Voice Master trägt zum positiven optischen Eindruck bei. Da kommt der Channel One schon deutlich nüchterner daher. Allenfalls die mild leuchtende Röhre hinter ihrem Drahtgitter kann als Eye-Catcher dienen.

Gegenseitig versichernd, dass der Klang alleine ausschlaggebend sein sollte begannen wir mit den Tests. Wir führten jeweils 3 Tests durch, die ich kurz erläutern möchte.

TEST A:
Aufnahme von verschiedenstem musikalischem Material mittels eines sündhaft teuren Schoeps-Mikrofones vor einem Genelec 1032 A Monitor. (Abstand 50 cm)

TEST B:
Test im Studio mittels einem AKG C 414 einem Neumann Röhren Mikro sowie einem Sänger.

TEST C:
Das Anlegen von Vocal-Material einer Sampling CD an den Lineeingang der Preamps.

Test A wurde dabei unter Deaktivierung aller klangformenden Module wie Trittschallfilter, Kompressor oder gar EQ durchgeführt. Es ergaben sich weder bei Vocals, Acoustik-Gittarren noch impulskritischen Material wie Drums oder Bass signifikante Unterschiede. Beide Preamps hatten mit Abbildung und Auflösung keine hörbaren Probleme. Hiermit war klar, dass die klangformenden Features die Entscheidung bringen mussten.

Bei Test B und C war nun das Ziel aus einer Stimme das Optimum herauszuholen. Hierbei wurden jeweils sämtliche Module aktiviert und bis an die Grenzen gefahren. Lange war es so, dass der SPL das bessere Ergebnis lieferte. Der Klang war natürlicher, präsenter, näher und auch irgendwie wärmer. Sollte die fehlende Röhre im Voice Master einen klaren Nachteil bedeuten? Wir waren noch skeptisch und ließen kein Poti des Voice Masters (VM) länger als 10 Sekunden in derselben Stellung verharren. Und siehe da, es gelang uns einen vergleichbaren Sound hinzukriegen!

Die Unterschiede:
Die Firma SPL bietet mit dem Channel One (C1)einen einfach zu bedienenden Preamp. Fast alle klangformenden Module sind sparsamer parametrisiert als beim Vergleichsmodell. Das bedeutet weniger Fehlermöglichkeiten, aber halt auch weniger Möglichkeiten gezielt in den Sound einzugreifen. Einige wichtigen Parameter wie Threshold des Deessers, Release Zeit des Noise Gates, Attack und Release des Compressors sind beim C1 intern automatisiert und reagieren selbsttätig auf das Audiomaterial. Folgende Features sind daher ausschliesslich beim VM zu finden:


einstellbare Release Zeit beim Noise Gate,
Treshold & Release beim Kompressor,
Schalter zum Verändern von Ratio und Attack des Kompressors,
einen Tone-Regler bei der Verzerrung,
Frequenzwahl des Deessers incl. Listen-funktion.
Die stark klangbildende Vintage Harmonics Funktion ist beim C1 gar nicht vorhanden.

Klingt deshalb der VM besser. Die Antwort lautet: Nicht immer! Wir fanden es sogar schwieriger einen guten Sound einzustellen als mit dem C1. Dort leisten die internen Automationen wirklich gute Arbeit.

Im Detail: Obwohl laut Focusrite der Original Deesser der teureren ISA Serie zum Einsatz kommt überzeugte uns dieser nicht. Zum Einen gehört er wohl eher an den Anfang der Signalkette eines Preamps zum Anderen arbeitet er nicht wirklich unaufällig. Dank der eigenen Led-Kette konnten wir sogar ein viel zu langsame Release Zeit von annähernd 500 ms ausmachen. Diese sollte bei einem Deesser eigentlich minimal sein. So können Silben noch etwas dumpfer klingen, wenn sie direkt hinter einem S-Laut liegen. Eine sorgfältige Wahl des Threshold Wertes ist daher sehr wichtig. Der Deesser des C1 arbeitet deutlich unauffälliger. Da er mit Phasenauslöschungen arbeitet braucht er natürlich auch kein Frequenzpoti. Wie gut, dass es ihn als Plug-In gibt!

Mit dem Distortion Regler bietet der C1 die Möglichkeit das Signal mittels FET-Schaltung deutlich stärker zu verzerren als der VM mit seinem Tube Sound Modul welches aber auch nicht schlecht klingt. Die EQ's des C1 überzeugen. Mittels Air Band welches bei 17,5 kHz ansetzt lässt sich wirklich einiges an Luftigkeit zusetzen. Der VM kann hier mit seinen Vintage Harmonics kontern welche im Mid- und Hi-Band Bereich ebenfalls deutlich Glanz bringen. Während eine Zugabe im Mid Bereich zu einem eher nasalem Klangbild führt ist eine Zugabe im Hi Bereich fast immer mit einer Klangverbesserung (Präsenssteigerung) verbunden. Der EQ des VM ist im Vergleich zum C1 gezielt für Vocals designt worden. Gewöhnungsbedürftig ist es schon, dass es neben der EQ-Section noch zwei Module beim VM gibt, welche den Klang deutlich verändern. Nämlich das Modul Tube Sound und die besagten Vintage Harmonics. Hat man aber einmal verstanden welches Modul was macht, kann man es in Verbindung mit den anderen recht gezielt und effektiv einsetzen.

Abschließend wäre noch zu erwähnen, dass der VM die Möglichkeit bietet den Compressor hinter den EQ zu schalten bzw. die Vintage Harmonics hinter den Compressor. Beim SPL C1 lässt sich der Compressor vor den EQ schalten. Sehr nützlich aber beim C1 fehlend ist die Bypass Funktion welche alle Module deaktiviert. Beide Modelle verfügen über die Möglichkeit eines latenzfreien Monitorings dank einem integrierten Kopfhörer-Verstärker einer Send-Return Option und eines Stereo Playback Ins. Beide Modelle lassen sich mit einem Digital-Board ausrüsten, welches beim Voice Master mit 250 € und beim Channel One mit satten 600 € zu Buche schlägt.

Fazit:
Wir haben uns entschlossen den neuen Voice Master auch in Anbetracht seines deutlich geringeren Preises zum Testsieger zu küren. Er bietet etwas mehr Möglichkeiten und bei sorgfältiger Einstellung keinen schlechteren Sound. Der Channel One ist seit Jahren ein guter Studio Standard und sehr einfach zu bedienen. Dies geht aber ein wenig zu Lasten der klanglichen Flexibilität. Den Mehrwert der Röhre konnten wir nicht hören. Dies gilt insbesonders wenn es um Vocals geht. Darauf ist der VM noch mehr spezialisiert als der C1, der aufgrund seiner Automatisierungsfunktionen auch sehr gut für anderes Audiomaterial geeignet ist.

Die Preise für die Geräte sind 650 € für den Voice Master bzw. 250 € für die Digitaloption und 1100 € für den Channel One und 600 € für dessen Digitaloption.
Tester: Alexis
• iMac i5 (2020) • 40 GB RAM • SSD • Logic Pro X • UA Apollo • MacBook Air • M1 • 16 GB RAM
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