Frankreich, wir schreiben den 18. März 1991.
Am frühen Morgen öffnen die Plattenläden & starten den Verkauf...
Und wohl keiner wird geahnt haben, dass dieser Morgen den Start einer weltweiten Karriere ungeahnten Ausmaßes markieren würde.
Myléne Farmers "Désenchantée" wird nicht nur zur Hymne des europäischen Frühlings, sondern auch zum größten Hit der franco-kanadischen Künstlerin & ihres langjährig treuen Songwriting-Partners & Produzenten Laurent Boutonnat.
Keine Tour, keine audiovisuelle Ankündigung und kein Interview sollte fortan stattfinden, ohne dieses auch nach 30 Jahren stil-, textsicher und ewig hochaktuelle Meisterwerk anzuspielen oder zu erwähnen.
https://youtu.be/vkiyW0vqat8
Leute wie Abel Ferrara, JP Gaultier, Sting oder Seal stehen zur Stelle, wenn Madame ruft.
Madonna hat bisher noch jede Tour thematisch (und mit Ansage) von Mylènes vorhergehender abgekupfert (ohne dabei auch nur ansatzweise ranzukommen) und viele andere Künstler, die innerhalb von 3 Stunden 13 aufeinanderfolgende Termine (je 21000 Karten) im Palais Omnisports in Paris Bercy ausverkaufen, weil die halbe Welt da hinpilgert, fallen mir auch nicht ein.
Ich selbst würde auch für keinen anderen Künstler der Welt von Hamburg nach Strasbourg fahren und dort ein Hotel buchen, nur weil ich da noch eine Kinokarte für den zwar an nur einem Abend, aber dafür (außer in Deutschland*) rund um den Erdball herum gezeigten neuen Konzertfilm ergattern konnte. Aber Toronto, Paris, Seoul, Zürich, Istanbul, Rom, Moskau oder Buenos Aires wären halt deutlich weiter gewesen.
Das alles wird vermutlich hier kaum jemand nachvollziehen können, weil die ganze Nummer, abgesehen von den Songs, welche die gesamte französischsprachige Welt, plus - trotz Sprachbarriere - dem ehemaligen "Ostblock" und großen Teilen von Asien sowie den Americas offenbar irgendwie begreift, natürlich ein bisschen kennengelernt werden muss, um das selbst für Muttersprachler (der ich leider nicht bin) fast ziemlich undurchdringliche Gesamtkunstwerk zu erfassen. Und das ist halt etwas schwierig, wenn sie hier ganz stumpf nicht stattfindet.
Trotzdem: Mylène rangiert in Frankreich nicht ganz ohne Grund knapp hinter Gott und mindestens gleichauf mit Serge Gainsbourg (den sie in ihrer Morbidität mit Leichtigkeit um Größenordnungen in den Schatten stellt) als Nationalheiligtum....und das, obwohl sie letztlich auch noch Kanadierin ist...
Ich jedenfalls verneige mich vor meiner Lieblingskünstlerin und 30 Jahren atemberaubender Großartigkeit.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
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Die Gründe auszuführen spare ich mir an dieser Stelle. Hier kennen die meisten Leute wohl eher die gruselige Kirmestechno-Coverversion von Kate Ryan, aber...
"Mylene s'en fout" (ja, das ist Abe Laboriel jr. am Schlagzeug) oder auch, um es mit ihren eigenen Worten auszudrücken:
"Fuck them all"...