Wie mischt ihr Bass?

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JP_
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Re: Wie mischt ihr Bass?

Beitrag von JP_ »

Stephan S hat geschrieben:
JP_ hat geschrieben:Musikalisch mischen ist viel wichtiger als "technisch korrekt"...
Jawoll!

Mein drei Stufen Masterplan aus Live Zeiten:
1. Schadensbegrenzung
2. Verwirklichung
3. Extase
Neben den, leider eher seltenen sehr guten und dabei musikalischen Mixen (ich mach einiges an 70th re-masters), bekomm ich tendenziell zwei Arten von Mischungen rein; fokus auf musikalisch, tendenziell eher under-mixed (also etwas sparsames processing, oft mit Absicht) und fokus auf technisch, tendenziell overmixed mit viel processing (oftmals Unmengen an PlugIns). Letzterem fehlt es oft an musikalischer Seele, analoge Bearbeitungen meinerseits greifen auffallend deutlich schlechter und obwohl aufs erste reinhören gar nicht schlecht, ist es oft ein Krampf hieraus einen halbwegs organisches Master zu zaubern.
Ein bisschen wie der Unterschied zwischen einem guten Mikrofon und einem schlechtem, aufs erste hinhören ok, aber unter Bearbeitung völlig zerfranst.


Deshalb mein Tipp an alle Unsicheren: Emotion vor Technokratie. Im Mastering lässt sich einiges kitten, aber Seele, Emotion und Musikalität nicht... Der Mixprozess hat da aber, neben Produktion und Aufnahme, sehr großen Anteil dran.
Und wenn lieber "nur" einen 6dB Hochpass benutzen, mehr braucht es eigentlich selten. Und wenn ja, seit ihr euch sicher, dass ihr das auch zweifelsfrei beurteilen könnt auf Grund der Abhörsituation?
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Peter Ostry
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Re: Wie mischt ihr Bass?

Beitrag von Peter Ostry »

JP_ hat geschrieben:... fokus auf technisch, tendenziell overmixed mit viel processing (oftmals Unmengen an PlugIns). Letzterem fehlt es oft an musikalischer Seele, analoge Bearbeitungen meinerseits greifen auffallend deutlich schlechter ...
Naja, alles dicht, Frequenzen gleichmäßig besetzt, jedes Instrument unten und oben beschnitten und womöglich von unten bis oben alles messerscharf und wenn Dynamik dann überall, was soll sich da groß ändern. Ist ja schon schade um die schönen teuren Masteringgeräte.

Aus der Sicht des Bildhauers:
Ohne Abfall kann man aus einem Hartholz-Schwein keinen springenden Jaguar schnitzen.
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Dingo
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Re: Wie mischt ihr Bass?

Beitrag von Dingo »

Nun mein erster Satz in diesem Thread war ja: Das ist natürlich stilabhängig.
Der zweite Satz war: Wer wirklich den Bass so tief und mächtig wie möglich mischen möchte wird sich am 30 Hz Low Cut orientieren müssen.

Das grenzt doch schon im Grossen und Ganzen ein für welche Anwendungen mein Ratschlag konzipiert ist.
Bei Matel wird in 16tel gekickt da machen dicke Bässe auch wenig Sinn weil dann alles zugebumst wird.
Wenn du, Peter, Musik mischt die weder Drums noch Bass Staccatos hat, macht doch mein Ratschlag für dich gar keinen Sinn.

Das wären 2 Extrembeispiele, die mit den Previews die Putte hier gepostet hat wenig gemein haben.

JP hats ja schon angesprochen. Es ist eine Frage des Levels. Wie Laut soll denn das Endprodukt werden?
Je lauter es werden soll um so weniger sind die Frequenzen unterhalb dienlich weil sie zu viel Energie fressen und zu wenig Punch haben. Das Tiefe E eines normalen Basses schwingt bei 82,5 Hz. Die 808 schwingt bei etwa bei 61 Hz.
Ich nutze auch einen 12 dB Low Cut bei 30 Hz steiler muss es meiner Meinung nach auch nicht sein.
Kannst es ja mal ausprobieren. Nimm 'nen Bass oder eine 808 und setz den Low Cut bei 30 Hz und schau wie hart der Cut in den Klangcharakter eingreift.

Und JP ich bin wie ein Flitzebogen gespannt bei welchem Stück du eine Anhebung bei 30 Hz nötig hattest und wie hoch der durchschnittliche RMS des Endproduktes war. Das Ausgangsmaterial muss wirklich dünn gewesen sein.
Diese Erfahrungswerte können doch beim Mischen eines Stückes nicht hilfreich sein wenn der Suchende schon das Problem hat das er die Bässe überbetont.

Kommt, Jungs macht mir das Leben nicht schwerer als es schon ist! Bitte ja... :mrgreen:
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Peter Ostry
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Re: Wie mischt ihr Bass?

Beitrag von Peter Ostry »

Dingo hat geschrieben:Wenn du, Peter, Musik mischt die weder Drums noch Bass Staccatos hat, macht doch mein Ratschlag für dich gar keinen Sinn.
Das wären 2 Extrembeispiele, die mit den Previews die Putte hier gepostet hat wenig gemein haben.
Ja ja, aber das hältst du schon aus und Putte auch (hallo
Als alter Missionar Bild spreche ich gerne zugunsten des "anonymen Users", der in den Thread stolpert, eigentlich keinen Mix für die Tipps hat, aber sicherheitshalber beginnt, überall Lowcuts einzufügen, weil das ein Wissender gesagt hat. Aber ich geb eh schon wieder Ruhe ...
Dingo hat geschrieben:Und JP ich bin wie ein Flitzebogen gespannt bei welchem Stück du eine Anhebung bei 30 Hz nötig hattest und wie hoch der durchschnittliche RMS des Endproduktes war. Das Ausgangsmaterial muss wirklich dünn gewesen sein.
Ich bin zwar kein Masterer, aber ich kenne das auch. Allerdings vermutlich bei einem anderen Problem: Manchmal komme ich drauf, dass die Tiefen undefiniert sind, weil sie in der Phase/Korrelation zuviel herumwischen. Dann nehme ich einen M/S EQ, drehe die übermütigen Teile aus der Seite, hebe im Mittensignal die Tiefen an (!), eventuell noch einen "MonoMaker" bis 60 Hz und gebe als Ausgleich für den Verlust des Seitensignals großzügig Stereobreite dazu.

Bei dichtem Material mit Phasenproblem in der Tiefe zum Beispiel so:
  • Bild
Ergebnis: Die Tiefen korrellieren besser, bekommen mehr Körper, der sonstige Gesamteindruck bleibt. Das ist aber nicht Mischen auf Bass-Energie wie du es machst, sondern mehr Definition durch Veränderung des Phasenganges.

Im Logic Match EQ sieht die Differenz so aus:
  • Bild
Die Tiefen sind lauter, aber wummern weniger.
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Re: Wie mischt ihr Bass?

Beitrag von JP_ »

Dingo hat geschrieben:
Und JP ich bin wie ein Flitzebogen gespannt bei welchem Stück du eine Anhebung bei 30 Hz nötig hattest und wie hoch der durchschnittliche RMS des Endproduktes war. Das Ausgangsmaterial muss wirklich dünn gewesen sein.
Diese Erfahrungswerte können doch beim Mischen eines Stückes nicht hilfreich sein wenn der Suchende schon das Problem hat das er die Bässe überbetont.

Kommt, Jungs macht mir das Leben nicht schwerer als es schon ist! Bitte ja... :mrgreen:
Ehrlich? Fast immer! Ob nun folk mit 12LU oder techno mit 8LU...
Ich weiss nicht wieviel erfahrung du mit analogen bearbeitungswerkzeugen hast, weswegen ich dazu sagen muss, dass der klangliche effekt wenig mit dem einer rein technischen frequenzbearbeitung zu tun hat, wie man sie bspw von vielen plugins kennt. Jeder meiner eqs klingt komplett unterschiedlich in dem bereich, und es sind eigentlich nur zwei die in dem bereich und fuer diesen zweck funktionieren. Bassproblematische mischungen (zu duenn oder zu dick) habeb ihre probleme auch eher selten im 30hz bereich. Ein 30hz boost ist eine aehnliche anwendu g wie ein 40k boost, ausserhalb des eigentlich musikalisch relevanten bereichs und trotzdem durch nichts zu ersetzen. Hat jetzt wenig wert fuer die allgemeinheit diese arbeitsweise, ich hab es nur angemerkt weil ich einen gegenpol zu den gerne geaeusserten kochrezepten und der technokratischen anwendung von eq geben wollte.ich eque oft nicht allein aus dem grund einer ueber o. unterbetonung, genauso wenig wie einen kompressor einsetze weil das material zu viel dynamik hat.
Die meisten werden doch im bereich um 30/40hz keinerlei verlaessliche entscheidungen treffen koennen auf grund von LS und raumbedingten limitierungen und brauchen deshalb auch gar nicht anfangen da unten rumzustochern.
Einen falsch gesetzten cut kann man beim mastering (also unter vollbereichsabhoerbedingungen) selten wieder egalisieren, eine ueberbetonung im bassbereich bekommt man aber recht einfach in den griff. Das ist das worauf ich letztendlich hinauswill.
Arbeite niemals blind (also taub).

Wenn um ultraschnellen metal geht; klar, da gelten komplett andere gesetze. Aber ich kenne auch keine andere musikalische stilrichtung die von dieser extremen aesthetik profitieren wuerde... Ausser grossraumdissen EDM vielleicht... Von dem ist die relevanz eher gering, wuerde ich sagen. Ich kenne auch einige metaller, die aus dieser aesthetik nicht rauskommen, auch wenn sie anderes mischen. Da haben dann mischtechnische automatismen komplette herrschafft ueber jegliches musikalischen gespuer uebernommen.

Hoher RMS und wenig bass ist natuerlich immer ne bequeme kombi, beides raubt der musik aber schnell die seele. Von dem, gerade heutzutage, auch nur noch von recht wenig relevanz. Viel bass UND hoher RMS verlangt halt wieder nach einer praezisen abhoersituation, weil viel feinarbeit gefragt ist. Und das koennenviele Bassreflexsysteme und raeume prinzipbedingt wieder nicht liefern.
Teufelskreis, halt.
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Re: Wie mischt ihr Bass?

Beitrag von JP_ »

Peter Ostry hat geschrieben:
Dingo hat geschrieben:Wenn du, Peter, Musik mischt die weder Drums noch Bass Staccatos hat, macht doch mein Ratschlag für dich gar keinen Sinn.
Das wären 2 Extrembeispiele, die mit den Previews die Putte hier gepostet hat wenig gemein haben.
Ja ja, aber das hältst du schon aus und Putte auch (hallo
Als alter Missionar Bild spreche ich gerne zugunsten des "anonymen Users", der in den Thread stolpert, eigentlich keinen Mix für die Tipps hat, aber sicherheitshalber beginnt, überall Lowcuts einzufügen, weil das ein Wissender gesagt hat.
Sehe ich ganz genauso.
Und den rest von peters vorbildlichem geschreibsel auch. (clap)
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Dingo
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Re: Wie mischt ihr Bass?

Beitrag von Dingo »

@ Peter

Du kannst ja beim nächsten mal schauen ob das Signal das du so bearbeitest einen DC Offset hat.
Dieser erzeugt ein Störsignal in den ganz tiefen Frequenzen was zu Undefiniertheit und weniger Headroom führt. Wenn du den Ozone besitzt, der entfernt den Versatz in Echtzeit ansonsten findet man in den meisten Sample Editoren die entsprechende Funktion.

Der Versatz kann aber auch durch einen Low Cut/ High Pass entfernt werden, der zu diesem Zweck zwichen 1 - 20 Hz gesetzt wird.

Der DC Offset Check gehört zur Mastering Routine.

@ JP
Auch im Digitalen wird "Sound EQuing" betrieben sonst würde es ja keine Pultec Emulationen geben.
"Chirurgisches EQing" wirst du auch beim Mastering anwenden müssen.

Da ihr ja so besorgt seid das Neulinge fehlgeleitet werden könnten....
Es gibt drei EQ Arten, die bei der Bearbeitung eines Signals anfallen könnten und genau in der folgenden Reihenfolge zur Anwendung kommen sollten.

1. Das chirurgische EQing: Das Signal wird von Störfrequenzen weitestgehend befreit.
2. Das musikalische EQing: Das störfreie Signal wird schöner gemacht.
3. Das dynamische EQuing: Kommt zum Einsatz um Passagen eines Signales zu kontrollieren weil Pegelabhängig bestimmt werden kann, in wie weit eine Frequenz angehoben oder gesenkt werden soll.

Wenn du alle drei Arten und die Reihenfolge beherrscht, bist du EQ Bachelor und kannst 'ne Alde mit nachhause nehmen.
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Peter Ostry
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Re: Wie mischt ihr Bass?

Beitrag von Peter Ostry »

JP_ hat geschrieben:Ein 30hz boost ist eine aehnliche anwendung wie ein 40k boost, ausserhalb des eigentlich musikalisch relevanten bereichs und trotzdem durch nichts zu ersetzen.
Sag, weil wir bei Tiefen (und Höhen) sind, kennst du diesen Equalizer?

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Kann "nur" tief und hoch. Würde mich interessieren was du davon hältst. Ich habe ihn schon ewig, aber jetzt wird er zunehmend zu meinem Liebling für diese Aufgabe. Bissel bissig isser.
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Re: Wie mischt ihr Bass?

Beitrag von pyrolator »

Es geht bei der Ausgangsfrage "Wie mischt Ihr Bass" natürlich in erster Linie darum herauszubekommen, was man an Bassanteil überhaupt hört.
Nach meinem Umzug nach Berlin habe ich ja kein Studio mehr, mein derzeitiger Mischplatz ist zu klein - die Basswellen würden im Raum einfach nur stehen und beurteilen kann ich da gar nichts.
Ich war auch in meinem alten Studio nie ein besonderer Freund von Subwoofern, habe schon einige durch, es war mir immer zu undifferenziert. Ich hatte als grosse Monitore allerdings auch die Altec Lensing Model15, eine 70er-Jahre Wuchtbrumme, bei der selbst bei Drum-and-Bass Musikern unterrum keine Frage mehr offen blieb. Da braucht man dann aber den entsprechenden Raum, dass sich die Basswelle überhaupt erst einmal aufbauen kann.

Ich arbeite deshalb seit einiger Zeit mit dem Subpac S2 (http://thesubpac.com/subpac-s2-2/) um beurteilen zu können was ich unterhalb der 50hz noch so abspielt. Man bekommt ein direktes körperliches Feedback auf den Körper, was manche als sehr unangenehm empfinden, da wird man ganz schön durchgeschüttelt. Ich kann damit nicht lange arbeiten, aber zur Kontrolle reicht es allemal aus schwammigem Hupen ein einigermassen konkretes Signal zu modelieren.
Zum Hören, gerade für den Club gemachter Musik ist es teilweise aber schon atemberaubend und geil. Beispiel Andy Stott: Bei seinem Album und Titeltrack "Luxury Problems" geht der Mann sooo tief, dass es einem fast den Hintern vom Stuhl wegfegt, ohne dass es auf normalen Boxen die Energie wegnimmt oder nervt. Das ist für mich dann auch die hohe Schule beim Mastern. Meine letzte VÖ habe ich zur Abwechlung auch mal selber gemastert, weil ich gerade im Bassbereich mittlerweile sehr sensibel bin (http://www.bureau-b.de/con-struct.php) und war ziemlich happy, als ich das vorletzte Woche dann mal richtig laut im Club hören konnte und es funktioniert hat.
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Dingo
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Re: Wie mischt ihr Bass?

Beitrag von Dingo »

Das Subpac habe ich neulich bei einem Freund testen können. Macht schon Spass.
Funktioniert meiner Meinung nach besser mit Köpfhörern als mit Monitoren, weil das Schnarrgeräusch vom Subpac besser abgeschirmt ist.
Das Subpac ist ohne Zweifel eine erwägenswerte Alternative. Den Ansatz finde ich Innovativ weil man Subbässe generell besser fühlen als hören kann.
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